Es ist die "Zärtlichkeit der Völker", die im Selbstmord-Attentat resultiert: Versöhnung mit "Kerneuropa", denn die Shoah ist der Kern Europas. Der einzelne, der sich opfert, um möglichst viele Menschen zu töten, verwirklicht die zeitgemäße Form von Gemeinschaft. Er opfert sich für einen realen oder imaginären Staat, vollführt in privatisierter Form, was nun einmal Sache der Volksgemeinschaft ist: Vernichtung um ihrer selbst willen. Nicht dieses Unbegreifliche ist zu begreifen, aber dessen Unbegreiflichkeit. Philosophieren heißt sterben lernen, sagt Montaigne: "Que philosopher c’est apprendre á mourir". Gegen diese Bestimmung, die alles offen läßt, wendet sich die deutsche Ideologie vom "Sein zum Tode" und der "Freiheit des Opfers", mit der Heidegger jeden zum Verhängnis bestimmt. So ist auch das Selbstmord-Attentat dem Freitod genau entgegengesetzt. Für den einzelnen kann die Zerstörung des eigenen Körpers der letzte Ausweg sein, Angst, Leere und Schmerz zu beenden. In diesem rein negativen Sinn ist der Selbstmord die Freiheit des Individuums. Ihn zum Mittel zu machen für Vernichtung, der alles zum Mittel wird, weil sie allein um ihrer selbst willen erfolgt, verkehrt diese Freiheit in ihr Gegenteil: Vollendung der politischen Gewalt - in einer Gesellschaft, die wesenhaft auf der Überflüssigkeit des einzelnen beruht.
Aus dem Inhalt Die Verstaatlichung des Menschen Das Recht: Form der Zirkulation Die Souveränität: Inhalt der Krise Die Familie als Elementarform Die Gesellschaft als Vermittlung Der Staat als Hüter der Totalität Über revolutionäre Gewalt Die Nation: Politik und Rassismus Der Antisemitismus: Politik und Vernichtung Über zionistischen Staat und messianische Hoffnung Die Vermenschlichung des Staats Wider die Ästhetisierung des Selbstopfers
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Gerhard Scheit
Die Meister der Krise
Überden Zusammenhang von Menschenvernichtung und Volkswohlstand
2001, 224 Seiten, 18 €, ISBN 3-924627-70-3
Es geht um einen einzigen Gedanken, der auch in einem einfachen Satz ausgedrückt werden kann: Der Wohlstand in den Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus und darüber hinaus der ganzen westlichen Nachkriegswelt hat die Vernichtung zur Voraussetzung, die von den Deutschen organisiert worden ist.
Der Gedanke ist keine These im gewöhnlichen Sinn: er läßt sich nach den Maßgaben des herrschenden Begriffs von Wissenschaft nicht ‘beweisen’ – eine notwendige Folge seiner Negativität. Verstanden als Hypothese eines kausalen Zusammenhangs wäre er nur beweisbar, wenn sich Totalität als Versuchsanordnung (wie in einem naturwissenschaftlichen Experiment) rekonstruieren ließe; wenn man also wissen könnte, was gewesen wäre, wenn... Da das unmöglich ist, hat der Gedanke lediglich eine einzige positive Bedeutung, die zu beweisen nicht die Sache der Wissenschaft oder des Schreibens sein kann: daß ein Leben ohne Kapital und Krise, ohne Staat und Vernichtung, und darum auch ohne die Meister der Krise, möglich ist.
Wenn es in diesem Buch scheint, als würden dennoch wissenschaftliche Beweise gesucht und zu diesem Zweck sogar empirische Fakten beigebracht, handelt es sich also allein darum, etwas nahezulegen: den möglichen Zusammenhang von Menschenvernichtung und Volkswohlstand unmöglich zu machen, die Wahrheit des Gedankens im doppelten Wortsinn zu realisieren.
Gerhard Scheit lebt als freier Autor in Wien und veröffentlichte 1999 im ça ira-Verlag Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus.
Inhalt
Vorbemerkung
Die sichtbare und die unsichtbare Hand: Eine wäscht die andere
Identität und Krise
Das deutsche Volk als Krisenbewältigung
Krise und Krieg
Libido und Nation
“Der Krieg war aber noch nicht gar”
“Staatssubjekt Kapital” oder “Behemoth”? Faschismus- und Totalitarismustheorie
Nationalsozialismus als “hypostasierte Krise”
Exkurs: Stalinismus als nachholende Akkumulation
Einfühlung ins Staatssubjekt Kapital: Volksgemeinschaft als Projektionsgemeinschaft
Deutscher Krieg und Pax Americana
Kriegsverlierer und Vernichtungsgewinner
Sekundäre Volksgemeinschaft
Wiederkehr des Verdrängten
Die Krisenbewältigung als deutsches Denken
A = A
Deutsch = Deutsch
Der Weltgeist und sein Philosoph
Exkurs: Das automatische Subjekt und sein Kritiker
Der Wille und sein Verächter
Einfühlung ins Raubtier
Die blonde Bestie und die Genies des Geldes
Der Meisterdenker der Krise
Das Sein und die Juden
Immer das Selbe
Nachbemerkung
Alle Ideologie beruht auf Verdrängung der Gewalt; noch dort, wo sie Gewalt fetischisiert, bildet der blinde Fleck des Souveräns den Ursprung. Denn ausgeblendet wird ja nicht Gewalt als solche, sondern dass durch sie die Einheit der Gesellschaft erst Bestand hat. An diesem blinden Fleck tritt im Politischen selbst zutage, wie Aufklärung sich weigert, ihre eigenen Bedingungen zu begreifen – darin ist sie zunächst nichts anderes als die frühe Gestalt des Engagements. In dieser ‚Dialektik des Leviathan‘, wie sie der erste Teil des Buchs im Anschluss an die Dialektik der Aufklärung zu umreißen versucht, erhält die Gegenüberstellung von Hobbes und Spinoza eine Schlüsselrolle. Die These lautet, dass ein kritischer Begriff des Staats ohne die Kritik der spinozistischen Auffassung von Substanz nicht zu haben sei, deren problematische Aspekte nicht zufällig in der französischen (und italienischen) Linken (Althusser, Deleuze, Negri…) wiederkehrten. Umgekehrt war es gerade die Problematik dieses Substanzbegriffs, die es Marx erst ermöglichte – zusammen mit der Hegelschen Dialektik und zugleich gegen sie gerichtet – die Kritik der politischen Ökonomie zu entfalten.
Wenn die neueste Ideologie der Linken wie der Rechten, in Frankreich wie in Deutschland, vielfach das Heideggersche „Sein“ und den Carl Schmitt’schen „Begriff des Politischen“ an die Stelle von Substanz und Souveränität setzt (Agamben, Badiou, Mouffe…), ist es mit jener ‚Dialektik des Politischen‘ auf dem Boden der klassischen Metaphysik und Aufklärung nicht mehr getan. Dem heutigen Triumph Heideggers und Schmitts zu widersprechen, geht es im zweiten Teil des Buchs: Jean-Paul Sartres „Engagement gegen den Tod“ und Jean Amérys Appell, den Leib zu „substantiieren“ (wie das Manfred Dahlmann jüngst ausgedrückt hat), bedeuten einerseits Annäherung an die entscheidenden Fragen einer Philosophie nach Auschwitz – gerade auch, was die Frage des Souveräns betrifft. Andererseits verkehrte sich bei beiden regelmäßig die kritische Intention, sobald man den Gegenstand des Engagements mit der politischen Linken teilen und also Politik machen wollte. Dass sie vielmehr zu sabotieren sei, hat allerdings Améry – ohne sich dessen unbedingt bewusst zu sein – in seiner Parteinahme für Israel vorgeführt wie kaum ein anderer. Der von Adorno formulierte kategorische Imperativ, der zugleich das Politische als „Stand der Unfreiheit“ begreift, erweist sich als die einzige Möglichkeit, dieser Sabotage auf den Grund zu gehen. Hier spannt sich aber auch der Bogen zum ersten Teil des Buchs zurück: Aus der Kritik an Spinozas Substanzbegriff lässt sich keine Kritik an Heideggers Sein zum Tode entwickeln, so wie auch der Gegensatz zwischen der Vernunft als Selbsterhaltung, die in derDialektik der Aufklärung kritisiert wird, und der Vernichtung um der Vernichtung willen, die das Selbstopfer einschließt, dialektischer Vermittlung nicht mehr zugänglich ist, sondern zur Intervention nötigt. Davon legt jener Imperativ Zeugnis ab. Nur wer sich dabei jedoch die eigene Ohnmacht immer wieder eingesteht, die im notwendigen Engagement gegen den Antisemitismus so fatal wie nirgendwo hervortritt – spätestens dann, wenn der eben erst bezwungene Antisemit in neuer Gestalt wiederaufersteht –, wird auch die antisemitische bzw. antizionistische Gewalt nicht unterschätzen. (Diese Unterschätzung ist das Merkmal aller liberalen Anstrengungen, die Antisemiten zurückzudrängen.)
Der dritte Teil schließlich versammelt – in Anlehnung an Adornos Engagement-Essay – Einzelstudien zur Kritik des politischen Engagements, wie sie sich an und in den Werken von Literatur und Essay, Musik und Film erschließt (Thomas Bernhard, Berthold Brecht, Hanns Eisler, Jean-Luc Godard, Elfriede Jelinek, Imre Kertész, Claude Lanzmann, Georg Lukács…).
Aus dem Inhalt
Teil 1: Die Substanz, das Gesetz und der Souverän
Abschied vom Leviathan
Das Gravitationsgesetz des Staats
Ultimi barbarorum als Nachtwache des Souveräns
Transzendenz der Todesdrohung, Immanenz der Seelenruhe
Spinozas Ethik und Kants Moral
Kabbala ohne Judentum
Leib und Seele
Wiederkehr des Verdrängten
Rule of Law oder Prärogative
Staat oder Gott
Staatskritik oder Platonismus
Leib und Kapital
Das Kapital und die abstrakte Arbeit
Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw.
Über die Wertform des Individuums
Der neue Behemoth und die falschen Freunde Spinozas
Antihumanismus
Anti-Ödipus und Anti-Hobbes
Anarchie und Antizionismus
Teil 2: Das Sein zum Tode, der Praktische Imperativ und das Engagement
Herr und Knecht
Der Herr
Der Knecht
Phänomenologie des Unstaats
Engagement für und gegen den Tod
Der Seinsphilosoph vor der Résistance
Le faux, c’est la mort
Behemoth und die Aufhebung des kategorischen Imperativs
Exkurs über den verborgenen Freiheitsbegriff der Kritischen Theorie
Der praktische Imperativ im Zeitalter des Antizionismus
Charaktermaske und automatisches Subjekt, Staatscharakter und sterblicher Gott
Die Krise und der Wahn
Engagement und Ohnmacht
Vernichtung und Gegengewalt
Folter und Freiheit
Logik der Vernichtung
Gegengewalt im absoluten Grauen
Gegengewalt als Ideologie
Der blinde Fleck der Kritischen Theorie und der Primat der Außenpolitik
Die Juden und die verwaltete Welt
Marginalien zu Theorie und Praxis der Gegengewalt
Die Souveränität des Judenstaats gegen den neuen Behemoth
Exkurs: Postmarxisten versus Verfassungsanarchisten
Teil 3: Das Kunstwerk, die Form und die politische Untat
Nach Kafka: Versuch über Imre Kertész
Georg Lukács und der romantische Antikapitalismus
Jean-Paul Sartre und die romantisierte Résistance
„Pogrommusik“: Der Bruch in Adornos Mahler-Deutung
Hanns Eisler und die letzten Tage der Menschheit
Engagement als mimetisches Element bei Brecht
Im Zeichen Ernst Jüngers: Engagement als ideologisches Element bei Alfred Andersch
Totales Subjekt, kollektives Unbewusstes: Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek
„...ihr habt den Tod gehasst“: Claude Lanzmann und die Kritik der politischen Gewalt
Anstelle eines Nachworts: Nachgelieferte Prolegomena
36,00 €*
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